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Hass im Netz: Die andere Seite der Studie

Am 13. Februar 2024 hat das Bundesfamilienministerium eine Studie zu Hasssprache im Internet vorgestellt. Frauen, Migranten und nicht-heterosexuelle Menschen sind demnach besonders betroffen. Aber auch Konservative berichten zu großen Teilen über Angriffe aufgrund ihrer politischen Ausrichtung. Über den ersten Befund berichtet der ÖRR ausführlich, über den zweiten nicht oder falsch.



Am Dienstag stellte Bundesfamilienministerin Lisa Paus gemeinsam mit dem „Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“[1] eine neue Online-Umfrage zu Hasssprache im Netz mit dem Titel „Lauter Hass – leiser Rückzug“[2] vor. Verschiedene Formate des ÖRR berichteten dazu, insbesondere in den Abendnachrichten nahm die Studie großen Raum ein.

 

Erwartbare Befunde berichtet

 

Meistens – mit einer Ausnahme – wurden die zentralen Befunde korrekt und übereinstimmend berichtet, z.B. dass insbesondere Frauen, Migranten und nicht-heterosexuelle Menschen von Hasssprache (vor allem Beleidigungen) betroffen sind. Befunde also, die in Kontinuität zu früheren Studien stehen und reproduziert wurden: Feindseligkeit im Netz bezieht sich vor allem auf bestimmte Personengruppen.

 

Unerwartete Befunde nicht berichtet

 

Andere bemerkenswerte und auch gewichtige Befunde beleuchtet der ÖRR jedoch nicht. Gut drei Viertel der Befragten etwa empfinden Hass gegen Weiße und Konservative als Problem: Sie stufen die Aussage „Weiße sind Rassisten“ oder „Konservative sind Nazis“ als Hass ein (S. 26) Zudem wurde festgestellt, dass linksdenkende Personen eine höhere Sensibilität für angeblichen Hass haben als Menschen mit anderen politischen Einstellungen (S. 27). Das heißt, sie nehmen unter Umständen Hass wahr, wo andere allenfalls einen harten Schlagabtausch sehen. Weiterhin berichten mehr als die Hälfte (52%) der sich politisch eher konservativ einstufenden Befragten von Hass, der sich gegen ihre politische Einstellung richtet. Das ist bei politisch Links-Denkenden etwas weniger der Fall (48%). Insgesamt berichten Linke und Konservative etwa zu gleichen Anteilen von Hasserfahrung aufgrund ihrer politischen Einstellung (S. 77)

 

Fehldarstellung bei Tagesschau24

 

Trotzdem berichtet Tagesschau24[3] nur von Hasserfahrung bei Links-Denkenden. Eine Reporterin berichtet in einer Live-Sendung nach der Pressekonferenz: „Aber auch politisch trifft es nicht jeden gleich: Menschen, die sich eher politisch links einordnen, sind besonders von Hass und Hetze im Netz betroffen. Das besagt diese Studie.“ Das ist nach oben genannten Befunden nicht richtig.

 

 

Wir fragen:

 

Warum gibt Tagesschau24 Teile der Studie zugunsten Links-Denkender falsch wieder?

 

Warum berichtet der ÖRR ansonsten nicht auch über andere gewichtige Befunde zu

Hasserfahrung im Netz, etwa von Konservativ-Denkenden?

 

Für den Zuschauer entsteht der Eindruck eines Confirmation Bias (z. dt. Bestätigungsverzerrung) bei den Redaktionen. Gemeint ist die Tendenz, Studienbefunde so zu berichten, dass sie zu den Voreinstellungen der Journalisten oder Redaktionen passen. Was nicht ins Bild passt, wird – eventuell auch unterbewusst – ausgeblendet oder sogar uminterpretiert.

 

Wir fordern:

 

Weil eine Wahrheit sich erneut bestätigt, heißt das nicht, dass nicht auch andere Wahrheiten ihre Berechtigung haben. Diese Studie zeigt: Frauen, Migranten sowie nicht-heterosexuelle Menschen sind leider immer noch stark von Hass betroffen. Aber auch bürgerlich-konservative Ansichten stehen zunehmend im Kreuzfeuer.

 

Dies zu thematisieren, zumal der Anteil ebenfalls hoch und damit relevant ist, würde von Perspektivenvielfalt und Ausgewogenheit zeugen.

 

So jedoch verpasst der ÖRR hier erneut die Chance, den Belangen konservativer Zuschauer mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Eine Empfehlung, die die Verfasser einer aktuellen Studie zu medialer Perspektivenvielfalt und Ausgewogenheit an den ÖRR richten (vgl. Maurer et al. 2024, S.20)[4].


 

[1] "Komeptenznetzwerk gegen Hass", https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/


[2] Repräsentative Online-Befragung "Lauter Hass – leider Rückzug" des "Kompetenznetzwerks gegen Hass", gefördert u.a. durch das Bundesfamilienministerium, https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/wp-content/uploads/2024/02/Studie_Lauter-Hass-leiser-Rueckzug.pdf



[4] Studie "Fehlt da was? Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten", https://www.polkom.ifp.uni-mainz.de/files/2024/01/pm_perspektivenvielfalt.pdf

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