Tagesschau Online, ARD, vom 26. August 2023
Viele kennen die Rede, fast jeder kennt das Zitat: "I have a dream" rief Martin Luther King Jr., Geistlicher und Ikone der Bürgerrechtsbewegung in den USA, am 28. August 1963 seiner Zuhörerschaft am Lincoln Memorial in Washington D.C. zu. Er träumte von einer Zukunft, in der seine Kinder ihres Charakters und nicht ihrer Hautfarbe wegen beurteilt werden, von absoluter Gleichberechtigung und -behandlung in einer "farbenblinden" Gesellschaft.
Die Tagesschau veröffentlichte dazu einen Beitrag von Katrin Brand unter dem Titel "Das falsch ausgelegte Erbe von Martin Luther King". Wer fehldeutet, ist schnell ausgemacht: "Konservative in den USA beziehen sich häufig darauf - reißen Kings Worte dabei aber aus dem Zusammenhang." Aufgezählt werden dann ausschließlich vermeintliche Missdeutungen der Konservativen, weil sie auch positive Diskriminierung (die Bevorzugung Einzelner aufgrund ihres Minderheitsstatus‘) verhindern wollen.
Da ist zum Beispiel Ronald Reagan, der zugunsten absoluter Gleichbehandlung Quotenregelungen zur Förderung von Minderheiten am Arbeitsmarkt ausschloss. Ähnlich missdeutend argumentierten Konservative, so Brand, mit Blick auf die gerichtliche Unterbindung der "Affirmative Action" (eine Maßnahme, der zufolge afroamerikanischen Studenten der Zugang zur Universität erleichtert werden sollte). Unvermeidlich folgt das Beispiel Ron DeSantis. Er hatte auf King rekurriert, nachdem er Unterrichtsinhalte zu Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung in ersten und zweiten Klassenstufen verbieten und solche zu Sklaverei hat abmildern lassen.
Wie auch immer man zu derartigen Politikinhalten steht - dieser Artikel ist politisch einseitig, unpräzise, suggestiv und damit schließlich tendenziös. Warum?
) Einseitig ist er, weil er ausschließlich republikanische Missdeutungen Kings aufgreift.
) Unpräzise ist er, weil er nicht zwischen Tatsachenfeststellung und Handlungsempfehlungen unterscheidet. Aus der Tatsache, dass Ungleichheiten zwischen Schwarzen und Weißen immer noch herrschen, folgt nicht zwingend, dass eine Überkompensation stattfinden und eine Ungleichbehandlung mit umgekehrten Vorzeichen fortgesetzt werden muss.
) Suggestiv ist er, indem er insinuiert, Kings Tochter widerspräche den konservativen Deutungen. Sie beklagt vielmehr ein parteiübergreifendes Missdeuten: Jeder stelle sich nach Belieben einen "bequemen King" zusammen.
Wir fragen: Warum werden in einem nachrichtlichen Format, das Falschauslegungen bedeutender Persönlichkeiten thematisiert, nicht alle politischen Auslegungen gleichwertig widergespiegelt? Wer falsch liegt, bestimmt nicht die ARD – zumindest nicht laut Programmauftrag.
Wir fordern mindestens eine genauere Differenzierung des Formats. Wenn der Text schon politisch einseitig argumentiert, dann sollte er als Meinung oder Kommentar gekennzeichnet sein.
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