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Thüringen: Die Suggestion einer "Zusammenarbeit"

Tagesthemen, ARD, vom 14. September 2023

Es ist der neue Sündenfall: Die CDU arbeite mit der AfD zusammen, heißt es im ÖRR allenthalben. Scrollt man durch die Nachrichtenwebseiten ist die Rede von einem "Test für die Brandmauer", einem "Tabubruch", "historischem Versagen" und so weiter. Den "Pakt mit dem Teufel", wie von der regierenden Linken[1] skandiert, zitieren die Tagesthemen mehrfach. Und sie übersetzen diese Metapher in den nicht weniger aufgeladenen Begriff der "Zusammenarbeit".

Aber was bedeutet Zusammenarbeit? Der Sachverhalt ist ein einfacher parlamentarischer Vorgang: Eine Fraktion, hier die CDU, stellt einen Antrag, der mit den Stimmen anderer Fraktionen, hier der AfD und der FDP, eine Mehrheit findet. Ist das eine Zusammenarbeit? Ingo Zamperoni stellt diese Frage zu Beginn seiner Sendung offen. Schade ist, dass darauf keine offene Auseinandersetzung folgt.

Im Bericht fürchtet u.a. Lars Klingbeil, die CDU habe sich mit der AfD gemeinsam auf den Weg gemacht, sie habe der AfD Gestaltungsmöglichkeiten gegeben und sie mit ins Boot geholt. Die Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp fragt sich vor der Kamera, ob die CDU jetzt dauerhaft für die AfD eine "Tolerierungsrolle" vorsieht. Der Off-Kommentar unterstellt, sie sähe die Bundes-CDU in "Erklärungsnot" und am "Scheideweg". Für die ARD steht also fest: Ja, es ist eine Zusammenarbeit. Und es wird mit dieser Feststellung vieles etwaig Unheilvolles in die Zukunft projiziert – einzig auf der Grundlage einer gemeinsamen Abstimmung in einer Sachfrage.

"Die Brandmauer ist damit völlig eingerissen", ruft Zamperoni seinem Interviewpartner Mario Voigt, CDU-Fraktionschef in Thüringen, apodiktisch zu. Er fordert Voigt auf, zwischen Pragmatismus und Grundsätzen zu unterscheiden, ohne in Betracht zu ziehen, dass auch Pragmatismus selbst ein Grundsatz sein kann. "Mit dem heutigen Vorgang greifen Sie aktiv gegen den Willen der Regierung in Thüringen in den Haushalt ein", klagt Zamperoni an. Und der Zuschauer fragt sich verwundert, was daran das Skandalon ist. Ist das denn nicht das Wesensmerkmal einer Opposition, in das Regierungshandeln einzugreifen?

Wir fragen: Warum stellt der ÖRR mit der Deutung einer "Zusammenarbeit" eine Verbindung zwischen AfD und CDU her, die nicht existiert? Gemeinsames parlamentarisches Abstimmen in einer Sachfrage ist keine Zusammenarbeit. Speziell dieses Tagesthemenausgabe gesteht der AfD mit einer Überinterpretation dieses Abstimmungsverhaltens mehr Aufmerksamkeit zu, als nötig wäre und den Alltagsproblemen der Bevölkerung (hier: Menschen mit Eigenheimwunsch) weniger Aufmerksamkeit, als sie verdienen.

Wir fordern: Der ÖRR muss sich selbstverständlich mit der Frage auseinandersetzen, wie mit einer Partei umzugehen ist, die in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuft ist. Aber der ÖRR kennt dabei nur eine einzige Wahrheit: Abschottung qua Brandmauer. Wo bleibt der ernsthafte Diskurs darüber, wie lebensweltliche Sachfragen und Probleme politisch bearbeitet werden können, ohne eine Kontaktschuld zur AfD zu skandalisieren?


[1] Stefan Dittes, MdL, Die Linke



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